Als ich 2008/2009 beruflich in Paris unterwegs war, veränderte eine Mittagspause mein Mindset: Eine ortsansässige Kollegin berichtete, dass in der Schule ihrer Kinder eine knallharte Entscheidung getroffen worden wäre: Alle Schulbücher werden zum Start des neuen Schuljahres abgeschafft. Anstelle dessen bekommen alle Schüler ein iPad.
Auf meine Frage, wie man denn in so kurzer Zeit alle Lerninhalte aus den Büchern in das iPad bekommt, bekam ich folgende Antwort: Wenn wir keinen harten Cut durchführen, wird es Jahre dauern, bis alle Inhalte digitalisiert sind. Nur wenn wir diesen Cut wagen, werden Inhalte schnell produziert. Neben Lehrern helfen auch Eltern mit. „Wir wollen eine schuleigene App bauen.“ hiess es da. Und: „Wir wollen die Rücken unserer Kinder entlasten“.
Zur gleichen Zeit war es in Deutschland immer noch ein Privileg, ein Diensthandy zu besitzen. Als Firmen ihren Mitarbeitern als Dankeschön für Umsatzrekorde ein iPad schenkten, wurden die Firmenchefs von anderen Unternehmern belächelt – und von der Presse gefeiert.
Die Nutzung von WhatsApp im geschäftlichen Kontext wurde anschließend erst belächelt und später per Arbeitsanweisung sogar verboten.
Videokonferenzen waren (sind) unverändert ein Privileg für Führungsetagen, während Facetime und Skype seit Jahren auf privaten Endgeräten zum Standard gehören.
Und jetzt? Jetzt haben wir Corona. Kontakte sollen reduziert werden und viele Arbeitnehmer könnten theoretisch auch von zuhause arbeiten. Doch die meisten haben weder einen Firmenlaptop, noch die Sicherheitsvorkehrungen, um von zuhause aus sensible Daten zu bearbeiten. Private Endgeräte dürfen kraft Arbeitsanweisung nicht genutzt werden.
Gleiches Bild in den Schulen des Landes: In der Presse wurden die Routerinstallationen gefeiert, aber ein Pilotprojekt, bei dem ein Fach digital unterrichtet wird, während die Schüler zuhause auf der Couch sitzen, sucht man vergeblich.
Verschlafen! Wir haben die Digitalisierung verschlafen, weil viele Entscheider nach wie vor denken, dass Digitalisierung nur etwas für Websites und Apps ist und nicht bis ins Mark der Unternehmen eindringen darf. Falsch!
Der wirtschaftliche Schaden von Corona wird vermutlich größer ausfallen, als wir alle heute schätzen könnten. Doch er hätte geringer ausfallen können…
Wenigstens eine Firma zieht sofort Konsequenzen. Must see: https://www.maclife.de/news/apple-kuendigt-wwdc-2020-online-format-100116329.html