Die „Banken fordern Kurswechsel“ lautete es gestern in einem Beitrag auf tagesschau.de. Namhafte Unternehmenslenker großer Institute regen an, die Regulierung anzupassen, sie zu lockern und die Größenvorteile Europas endlich zu nutzen und dafür Wege zu öffnen (statt sie zu versperren).
Wir teilen diese Einschätzung und können aus eigener Erfahrung in regulatorisch getriebenen Innovationsprojekten berichten, dass die Regulatorik den Banken immense Kosten verursacht. Beträge, die nicht in Wachstum investiert werden können, ergo mitunter betriebswirtschaftlichen Schaden anrichten.
Jedoch fehlt es in diesem Beitrag an drei wesentlichen Faktoren, von denen der Regulator nur einen zu verantworten hat:
- Vom Gesetzgeber vorgegebene Regularien entstehen überwiegend daraus, dass Fehler begangen wurden, die Kunden zu Schaden gebracht haben und Instituten (kurzfristige) Gewinne. -> Manches Regularium wäre vermeidbar gewesen, wäre weitsichtig gehandelt worden. Unser Lieblingsbeispiel: Die „Cappuccino-Anleihe“ eines deutschen Geldhauses anfang der 2000er Jahre, die im Flyer nur aus Vorteilen bestand (quasi eine mündelsichere Anlage) und Rentnern zum Ausbau ihrer Altersvorsorgerücklagen angepriesen wurde, die sich mit gewissen Fachkenntnissen aber als Knock-Out-Zertifikat herausstellte.
- Die internen Strukturen von Banken (Rechtsabteilung, Compliance, Operational Risk, Audit, etc.) und die beauftragten Wirtschaftsprüfer sind in den letzten Jahren exponential gewachsen. Im Vertrieb werden diese Einheiten oft als „Geschäftsverhinderer“ dargestellt. Und aus Angst davor, die nächst höhere Kontrollinstanz könnte etwas anmerken oder anders bewerten, werden Regularien intern zumeist strenger ausgelegt, als der Regulator selbst dies vorgesehen hatte. Aber der Regulator nimmt diese Selbst-Gefangennahme gerne in Kauf, da er nur den Kundenschutz im Blick hat und eine strengere Auslegung auch ihm hilft. –> Ein Schneeballsystem… mit Potential zur Selbstbeschleunigung.
- Oft stochert der Regulator auch selbst im Nebel, möchte Endkunden helfen, verpasst es aber, den Instituten klare Vorgaben zu machen. Die nicht endenden Anhörungen der Institute kosten die Unternehmen richtig Geld und liefern wichtige Hinweise, aber ebenso keine Klarheit. Unser Lieblingsbeispiel: Das Thema KYC. Jedes Unternehmen interpretiert die Vorgaben anders und es gibt bis heute keine einheitlich genutzte Formularvorlage. Doch es kommt noch besser: Nicht nur, dass ein und der selbe Kunde bei unterschiedlichen Banken unterschiedliche klassifiziert wird. Nein: Heutzutage sehen die Institute (zumindest teilweise) ihren unterschiedlichen Onboarding- und Kontrollprozess als „Mehrwert für den Kunden“ an und verteidigen den selbst entworfenen Weg, als wäre es ihre Markenidentität. –> Leider ist dies nur ein Selbstbild. Also die Sichtweise der Institute. Die Endkunden (und auch ein Vertriebler, der von Bank A zu Bank B wechselt) kann nur mit dem Kopf schütteln. Helfen würde also, wenn der Regulator standardisierte Vorlagen in Tabellenform liefern würde, anstelle von reichlich interpretierbaren Gesetzesentwürfen (die jedes Mal neue Schneebälle in die Fachbereiche werfen).
So betrachtet, bietet die Regulatorik auch im Innenverhältnis riesige Chancen. Die projekthafte und agile Zusammenarbeit ist den internen Abteilungen einzelner Häuser nach wie vor fremd. Die Folge ist: Die regulatorischen Kernfunktionen der Institute befinden sich teilweise in Machtkämpfen und beschäftigen sich überwiegend mit sich selbst.
Anstatt die Kundenbedürfnisse in den Vordergrund zu stellen und neue Wege zusammen mit dem Regulator zu identifizieren, wird sich liebend gerne an alten und etablierten Prozessen festgehalten. Schon oft haben wir in Projekten erlebt, dass uns berichtet wurde: „Oh, dieser Prozess ist etabliert und bewährt. Wir nutzen ihn seit 10 Jahren. Die Wirtschaftsprüfer und die BaFin haben sie bisher nicht beanstandet. Daran sollten wir nichts ändern.“
Was dabei oft vergessen wird, ist Folgendes: Regulatorik heisst nicht zwingend „bei jeder Novelle wird alles strenger“. Manchmal öffnen sich auch neue Wege, die man nur erkennen und ausgestalten muss… aber dazu muss man ergebnisoffen an die Themen herangehen. Genau das tun wir in unserer Beratung. Und wir haben schon einzigartige neue Wege gefunden und mit unseren Partnerunternehmen eingeschlagen. Erfolgreich und prüfungssicher.