Deutschland ist stark aufgrund seines Mittelstands. Innovationskraft und Patente kommen oft aus dem Mittelstand. Doch hinsichtlich Digitalisierung stockt es in Deutschland. Große Unternehmen wie Apple, Amazon oder Alphabet (Google) sind weit voraus. Dort spricht man nicht mehr von CRM (Customer Relationship Management) und meint damit mächtige Tools, in denen man jedweden Kundenkontakt archivieren und nachverfolgen kann, sondern von CMR: Customer Managed Relationship.
Sprich, nicht mehr die Firma bestimmt, sondern der Kunde! Denn dieser ist aufgeklärter denn je, trägt das Smartphone in der Tasche und ist rund um die Uhr online. Anders als große Firmen ist der Kunde auch (wenn er will) rund um die Uhr erreichbar. Und er entscheidet heute, wann er mit welchem Unternehmen in Kontakt treten will.
Und er fordert auch andere Digitalservices, als noch vor ein paar Jahren. Eine einfach nur bunte Website ist nicht mehr zeitgemäß. Information-Overload unerwünscht. Der Kunde von heute wünscht Informationen und Services, die zu ihm passen. ist so ein Beispiel. Kunden, die digital bei eingekauft haben und wieder in den Store zurückkehren, bekommen gleich angezeigt, was zu ihrem iPhone oder ihrem Laptop passt. Die Suche nach einer passenden Hülle wird dabei vereinfacht. Denn das Hauptkriterium für eine Handyhülle ist nicht mehr „Hauptsache sie passt“, sondern „dass sie passt wird vorausgesetzt“, dafür wird die Handyhülle nun zum Statement. Die Farbe, das Design entscheiden über den Kauf. Und Kundenservices, die das eigene Handy gleich mit der ausgewählten Hülle anzeigen können, sind klar im Vorteil!
Der Mensch rückt dabei in den Hintergrund. Der Computer kann auch viel genauer und zudem verwechslungsfrei bestimmen, welche Handyhülle für welches Handy passt.
In Problemfällen, also nichtmal einer einfachen Reklamation, sondern wenn es ein ernsthaftes Softwareproblem gibt, (also wenn es nicht anders geht) da bekommt der Mensch eine Bedeutung. Eine sehr große sogar!
Aber ansonsten wollen wir heute unsere Adresse selbst in der Kundendatenbank der Unternehmen ändern, wenn wir umgezogen sind. Wir wollen selbst Preise vergleichen. Und das tun wir auch. Nicht, weil ein Elektronikkonzern 2002 begonnen hat „Geiz ist geil“ als Lebensweisheit herauszuposaunen, sondern weil wir wissen, dass die Preisunterschiede oft eklatant sind.
Doch was passiert in den Firmen? „Digitalisierung“ ist das Modewort 2017 gewesen. Jeder wollte mitreden, doch was das ist, also was mit Digitalisierung gemeint ist, da gehen die Meinungen doch weit auseinander. Die einen sprechen vom digitalen Vertrieb (das nannte man früher „eBusiness“ und war nicht selten in der Marketingabteilung aufgehangen und hatte nicht einmal Vertriebsziele), die anderen von digitalen Produkten und wieder andere von Apps und Websites.
Doch die wenigsten sprechen von digitalen Kundenservices. Telefonhotlines sind immer noch Gang und Gäbe. Warteschleifen soundso. DIY-Online-Services eine Seltenheit (oder nur mit minimalen Möglichkeiten ausgestattet) und schreibt man einem Unternehmen eine E-Mail, erhält man oft eine Autoresponder Nachricht nach dem Motto „da wir Ihre Anfrage sehr ernst nehmen, dauert die Beantwortung durchschnittlich 48 bis 96 Stunden“.
Hallo? Der Kunde von heute möchte jetzt etwas erledigen, nicht die Gelegenheit bekommen, zu einem späteren Zeitpunkt ein Formular zugesandt zu bekommen, das nicht einmal editierbar ist, also erst bearbeitet werden kann, wenn ein Drucker in der Nähe ist und der Stift nicht gerade leer.
Wieso laden wir denn einmal am Tag unser Smartphone auf, wenn wir damit immer weniger telefonieren, mehr Musik hören und im Internet eigentlich nur recherchieren können?
Von einer Digitalisierung in der Wirtschaft sind wir weit entfernt. Altsysteme mit Insellösungen, unterschiedlichen Programmiersprachen und Schnittstellen, die nur in eine Richtung kommunizieren können, steht die Wirtschaft vor einem großen Problem: Der Kunde entwickelt sich weiter, die technischen Möglichkeiten des Kunden auch, aber die veralteten Großrechnersysteme bremsen die Unternehmen aus.
Klar, jedes neue System kostet eine Menge Geld, bindet intern Unmengen an Ressourcen und ist meist zu Beginn nicht sicherer, als das Altsystem. Aber Unternehmen, die den Zeitpunkt der Neuinvestition in Systeme verpassen, die verlieren den Kunden und müssen über kurz oder lang zuschauen, wie andere Unternehmen (auch junge Startups) ihnen den Rang ablaufen. Denn sie haben diese Altsysteme nicht. Sie fangen auf der grünen Wiese an und haben damit mannigfaltige Vorteile: Geringere Kosten, kaum ein Risiko einen Kunden zu verlieren und deutlich geringere Komplexität.
Aber die Komplexität schützt die etablierten Unternehmen nicht davor, dass der Wettbewerb lebt. Nokia war einmal der weltgrößte Gummistiefelhersteller und Mannesmann der weltweit wichtigste Lieferant für Stahlröhren (z.B. Ölpipelines). Hätten beide nicht eine radikale Wende eingeleitet, wären sie nicht nochmal zu Weltruhm aufgestiegen. Und beide Beispiele zeigen, was uns der menschliche Körper seit der Geburt vormacht: Die Zellen müssen sich laufend erneuern. Einmal zur Pediküre macht nicht lebenslang die schönsten Fußnägel…
In der Finanzdienstleistungsbranche (dem Schwerpunkt von po4f.com) ist es genau so, wie zuvor beschrieben: Die Systeme sind alt und anfällig, neue gesetzliche Anforderungen stellen die Institute branchenweit vor große Herausforderungen, kleine digitale Produkte werden entwickelt, um beim Digihype überhaupt dabei zu sein, aber kleine FinTechs spriesen wie die Pilze aus dem Waldboden und gewinnen Kunden ohne überhaupt um sie kämpfen zu müssen.
Das Problem: Die Institute sind zumeist nicht digital. Werfen Sie allein einen Blick auf die Websites großer Institute. Da sind Services vereint, die vor der Jahrtausendwende schon technisch möglich waren, die jedes Dot-com-Unternehmen wie selbstverständlich umgesetzt hatte. Doch moderne und zielgruppenbezogene Kundenkommunikation (und damit Kundenbindung!) können die wenigsten.
Hier hat Deutschland Nachholbedarf. Hier haben die Unternehmen Nachholbedarf. Und hier fehlt es an Ressourcen! Darum wachsen große Unternehmensberater und Projektmanagementspezialisten so rapide: Mit eigenen Ressourcen lassen sich Innovationen in großen Instituten kaum umsetzen. Sie sind zu sehr in alten Prozessen gebunden und bringen zudem nur selten die Fähigkeit mit, über den Tellerrand hinaus zu denken – denn das mussten sie nie…
Zeit zum Umdenken. Jetzt!