Auch wenn es in nachfolgendem Artikel in erster Linie um die betriebliche Altersvorsorge (und dort genau um die Direktzusage für Unternehmer) geht, zeigt jeder Absatz eins klar auf: Die Altersvorsorge in Deutschland ist dringend renovierungsbedürftig!
Doch hier geht es nicht darum, dass wir neue Produkte oder weniger komplexe Regularien brauchen. Nein, eigentlich müsste man in Sachen Altersvorsorge einen klaren Schlussstrich ziehen und alle Uhren auf Null setzen; also konzeptionell neu beginnen.
Der Blick über unsere Landesgrenzen hinaus zeigt, dass es besser geht. Denn gerade jetzt, wo nach fast einem Jahr Lockdown (mit Unterbrechungen) die Rücklagen in vielen Unternehmen geschmolzen sind und auch die private Altersvorsorge extrem gelitten hat, weil z.B. Kurzarbeitergeld am Monatsende weniger „übrig“ gelassen hat, was zurückgelegt werden konnte, sind innovative Ansätze gefragt, die nicht einen Durchführungsweg sanieren, sondern ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept darstellen, das die staatliche Altersvorsorge, die private Altersvorsorge und die betriebliche Altersvorsorge (das legendäre Drei-Säulen-Modell) zu sich sinnvoll ergänzenden Partnern und nicht zu Konkurrenten macht.
Auch wenn es ein typisch deutscher Weg wäre, nun erst einmal eine lang angelegte und breit diversifizierte Studie in Auftrag zu geben, rennt die Zeit gegen uns. Ein wenig ist es so, wie mit dem Klimawandel. Den haben wir lange vor uns hergeschoben und wirtschaftsfreundliche Abkommen geschlossen, die aus Schonfristen und Subventionen bestehen, aber die Problemfelder viel zu langsam abschaffen. Auch schauen wir bei Kleinproblemfeldern (Nebenkriegsschauplätzen) gerne viel zu genau hin, um vor grossen Problemen die Augen zu öffnen (Verbannung von Dieselfahrzeugen aus Innenstädten, aber grosse Frachtschiffe dürfen vollständig ungefilterte Schweröl-Abgase mitten durch Hamburg, Duisburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt etc. blasen).
Die klimatischen Veränderungen sind mit immer heisseren Sommern und immer weniger Winter, mehr Stürmen und höheren Temperaturschwankungen allseits bekannt – und mit Greta Thunberg und Friday’s for Future haben sie ein Gesicht bekommen. Doch wer ist das Gesicht der Altersvorsorge? Riester? Rürup? Das Institut für Altersvorsorge? Sorry, nein.
Die Altersvorsorge ist (leider) eine gesichtslose „Begleiterscheinung“, die wir dulden, die aber keinem Beteiligten so richtig Freude bereitet. Ausser: Den „Edelrentnern“. Die Edelrentner sind diejenigen Geschäftsführer, Vorstände und andere höheren Leitungsfunktionen, die in den 60er bis 80er Jahren Karriere gemacht haben und heute Versorgungswerke ihr Eigen nennen, die ihnen im Rentenalter höhere Bezüge bescheren, als zur Aktivenzeit (wenn man alle drei Säulen zusammenaddiert).
Doch das kann heute niemand mehr erreichen. Selbst Ausnahmetalente können im gegebenen System nicht zu Ruhestandsmillionären werden, auch wenn sie noch so viel zurückgelegt haben und alle möglichen Vorsorgeformen miteinander kombiniert haben.
Politisch betrachtet ist es ein undankbarer Job, sich das Thema Altersvorsorge in Gänze auf die Fahnen zu schreiben. Zu komplex sind die Rahmenbedingungen, zu wenig organisiert sind die mit spitzen Geschäftsmodellen verteilten Unternehmen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Und eine Lobby gibt es auch nicht. Jeder unbedeutende Tsunami irgendwo mitten im Ozean bekommt mehr Aufmerksamkeit, als ein Problemfeld, das ganze Generationen betreffen wird.
Eigentlich wäre der optimale Kandidat für dieses Thema unsere scheidende Kanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel. Ihre Amtszeit endet in absehbarer Zeit und sie kann noch jetzt wichtige Weichen stellen und ein ganz besonderes Team zusammenstellen, das dann unter ihrer Leitung einen „Neustart AV“ startet. Mit Unternehmen, mit Produktanbietern, mit dem Regulator auf europäischer Ebene, mit Angestellten und mit Selbständigen. Mit allen an einem Tisch.
Doch vielleicht bleibt alles das ein Traum und die Unternehmen, die sich mit bAV beschäftigen sehen sich weiterhin in einer Wettbewerbssituation zueinander. Vermutlich müssen erst mehr Menschen in Altersarmut den Staat um Hilfe bitten, um das Problem augenscheinlich zu machen. Und hoffentlich gibt es dann Menschen wie Greta Thunberg, denen es gelingt, Menschen zu mobilisieren. Denn eigentlich ist es ganz einfach: Altersvorsorge muss einfach, flexibel und sexy sein. – Nichts davon erfüllt sie heute.
Zum eingangs geschilderten Fachartikel geht es hier. Viel Spass bei der Lektüre.